[Waltraud P. Indrist] Der Akt des Fotografierens – Ein performativitätstheoretischer Blick auf die Häuser Mattern und Moll von Hans Scharoun

Im Œuvre des Architekten Hans Scharoun lässt sich ab den 1930er-Jahren eine besondere und spezifische Art der Fotografie ausmachen. Hinter diesen Fotografien liegt dabei weit mehr – zum Teil Brisantes – verborgen als ihnen beim ersten Anblick anzusehen wäre. Anhand der Häuser Mattern und Moll werden diese Fotografien im vorliegenden Text untersucht. Dabei soll gezeigt werden, inwieweit ein Blick auf den Akt des Fotografierens und damit auf die Fotograf_innen sowie auf die an der Fotografie beteiligten Personen im „Dickicht der Kulturobjekte“ (Flusser) sich fü;r eine performativitätstheoretische Perspektive auf die Fotografien produktiv machen lässt.
[Erstveröffentlichung auf www.wissenderkuenste.de, Oktober 2016. Redakteurinnen der Ausgabe #5: Lisa Großmann, Constance Krüger, Renate Wöhrer]

Abb. 1: Photographie: Vermutlich Erich Behne, „Haus Mattern in Bornim bei Potsdam“. Artikel und Fotografie erstmals publiziert in der deutschen bauzeitung, März 1935. Haus Mattern [1932–34], Bornim bei Potsdam, Architektur: Hans Scharoun. Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv [WV 128 GF. 4]. © Bildrecht, Wien, 2016. Herta Hammerbacher, Landschaftsarchitektin und Mitauftraggeberin von Haus Mattern auf dem Scharoun’schen Sofa.

Im März 1935 wurde erstmals eine dieser besonderen Fotografien publiziert (Abb. 1). Sie illustrierte den Artikel „Haus Mattern in Bornim bei Potsdam“.1 Das Haus Mattern (1934) gehörte zu einer der etwa zwanzig Einfamilienhäuser, die Hans Scharoun im Zeitraum zwischen 1933 und 1945 realisierte. Weitere wichtige Entwürfe dieser Phase waren Haus Baensch (1935), Haus Bader (1936), Haus Moll (1937) und Haus Möller (1939).2 Die dazugehörigen Fotografien entstanden dabei in einer Phase, die für Scharoun privat wie beruflich mit Repressionen und Leid verbunden war: Im Frühjahr 1933 war es zur sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten gekommen; im Herbst des Jahres wurde Scharoun fristlos von der Breslauer Kunstakademie entlassen – zuvor widerfuhr dies bereits seinem Freund und Kollegen Oskar Schlemmer – und er musste eine Hausdurchsuchung3 erdulden. Scharoun wurde als „entartet“ und „Kulturbolschewist“4 diffamiert; öffentliche Bauaufträge blieben aus. Restriktionen durch die nationalsozialistischen Behörden überschatteten die Entwurfsarbeit. Es kam immer wieder zu mühsamen und langwierigen Bauverhandlungen, in denen eine Anpassung der Häuser nach außen im Sinne des Heimatschutzstiles verlangt wurde.

So begann Scharouns Rückzug in die innere Emigration; eine Zeit der geistigen und psychischen Unterdrückung sowie Isolierung.5 Ab dann waren es nur noch „wenige Menschen, die den Mut“6 hatten, sich von Scharoun ihre privaten Häuser bauen zu lassen. Es waren „Leute, die irgendwie vom Bauen und moderner Architektur besessen“7 waren. Als Gleichgesinnte waren und wurden sie Teil eines Kreises8 aus Freund_innen, Bekannten und Verwandten, die unterschiedliche Beziehungen mit Scharoun und zueinander pflogen. So gestaltete das Landschaftsarchitekt_innen-Paar Hermann Mattern und Herta Hammerbacher9 bei zahlreichen dieser Häuser die dazugehörigen Gartenanlagen in Erweiterung zu Scharouns Entwurfskonzeptionen. Beate Mattern, zweite Ehefrau Hermann Matterns, wiederum fotografierte neben Erich Behne die Häuser10 aus jener Phase. An die Bildhauerin Marg Moll, Mitauftraggeberin des Hauses Moll, vermittelte Scharoun Aufträge, um Skulpturen für das Haus Schminke anzufertigen.11 Oskar Schlemmer entwarf ein Fresko für das letztgenannte Haus. Einen Entwurf realisieren konnte Schlemmer schließlich erst im Haus Mattern. Die Auftragserteilung folgte im Mai 1937, zwei Monate bevor „im Münchner Haus der Kunst die Ausstellung ,Entartete Kunst‘ mit neun Werken Schlemmers eröffnet wurde, was ihn tief erschütterte“.12 

In dieses Umfeld ist die hier gezeigte Fotografie „Haus Mattern in Bornim bei Potsdam“ (Abb. 1) eingebettet. Sie weist einige besondere Merkmale auf, die sich immer wieder auf Fotografien im Nachlass Scharouns – vor allem von den fünf zuvor genannten Häusern – finden: Die raumbestimmenden Architekturelemente sind zumeist nicht bildparallel angeordnet, wodurch sich schräge Blickachsen ergeben. Gesteigert wird im Falle der Abb. 1 diese Nicht-Orthogonalität durch den kontraststarken Schattenverlauf der Fenstersprossen. Zudem werden Bauteile und Möbel von den Bildrändern beschnitten; hier etwa das Fensterbrett. Und schließlich sind Personen bei der (passiven) Benutzung der Räume zu sehen; hierzu im Speziellen an späterer Stelle mehr.

Diese Art der Fotografie lässt sich damit weder dem klassischen Kanon der Architekturfotografie13 noch dem experimentellen Charakter eines Neuen Sehens – wie sie etwa durch das Künstler_innen-Paar Lucia und László Moholy-Nagy am Bauhaus Dessau entwickelt wurden – eindeutig zuordnen. So hatte das Neue Sehen mit extremen Verzerrungen, Verkürzungen oder diagonalen und ungewöhnlichen Perspektiven, Licht-Schattenwirkung experimentiert, um aus dem Apparat heraus dem Entwurf mit einem Neuen Sehen zu entsprechen.14 Gleichwohl ist den Fotografien auch anzusehen, dass sie weit über einen schnappschussartigen Moment hinausgehen. Sie dürften von Anfang an für die Publikation und Vorstellung von Scharouns Architektur in Fachmedien bestimmt gewesen sein. Dafür spricht zum einen auf technischer Ebene die Ausrüstung, die verwendet wurde: Spiegelungen in Glasflächen oder Schattenwürfe lassen eine technische Apparatur erkennen, die – ungesehen mitfotografiert – durchaus mit derjenigen professioneller Fotograf_innnen mithalten konnte. Es wurde ein solides, weit ausfahrbares Dreibein-Stativ verwendet (womit sich stürzende Linien vermeiden ließen) und der Fotoapparat dürfte der Größe nach zumindest Mittelformat ermöglicht haben. Auch das Objektiv scheint höherwertig gewesen zu sein, da in den Fotografien keine Linsenbeugungen zu erkennen sind, was wiederum auf preiswertere Kameraobjektive verwiesen hätte. Zum anderen wurden die Fotografien sorgfältig komponiert: So entstehen immer wieder spannungsvolle Momente; etwa, indem sich kontrastreiche Stellen und Flächen abwechseln, Blickbeziehungen auf weitere Raumpartien verweisen, Personen akzentuiert werden, ohne zugleich allzu dominant zu sein, weil im Gegenzug Raumelemente wie Möbel, Wandscheiben, Fensteröffnungen und dergleichen ebenfalls gestaltender Teil der Kompositionen werden. Zudem fällt auf, wie mit Objekten, ihrer Lage und Position im Sinne einer Bildwirkung experimentiert wird. Dies lässt sich besonders gut bei einer kleinen Serie im Haus Moll mitverfolgen. Einmal wandert etwa eine dunkle bauchige Vase Foto über Foto hinweg durch die unterschiedlichen Räume im Haus (vgl. Abb. 3, Bildmitte, links am Fenster vor dem Wintergarten15). Ein anderes Mal sind es diverse Skulpturen, die den (fotografischen) Blick durch den Wohnraum hinaus auf die Terrasse und die der Sonne heischenden Personen zu rahmen suchen.16 

Eine Erklärung für dieses ambivalente Verhältnis zwischen technischer Ausstattung und künstlerischer Komposition mag beim Urheber selbst gefunden werden; bei Erich Behne17, Sohn des Architekten Karl Behne und Bruder des Architekturtheoretikers Adolf Behne, auf dessen Fotografien hier fokussiert wird. Erich Behne promovierte in Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Hannover, war bis Ende 1932 für unterschiedliche Betriebe wie Siemens & Halske oder die A.E.G. tätig, hielt regelmäßig Vorträge und publizierte in Fachzeitschriften. Ab 1935 beschäftigte er sich – laut seines selbst verfassten Technischen Lebenslaufs – mit „privaten Studien technisch wissenschaftlicher Art“18. Noch Ende der 1940er-Jahre – im Rahmen des Versuchs einer beruflichen Neuorientierung – wurde seiner Tätigkeit als Fotograf „künstlerisch hochwertiges Kulturschaffen“ attestiert.19 Erich Behne war demnach zwar nicht von Berufswege her auf die Fotografie gekommen; dennoch dürfte er persönliches Interesse entwickelt und im Kreis der Familie sowie in ebendiesem Netzwerk an Gleichgesinnten ästhetische künstlerische Zugänge vorgefunden haben.20 Naheliegend ist etwa, einen Einfluss seines Bruders Adolf Behne anzunehmen. Als etabliertem Architekturtheoretiker, der Architektur regelmäßig in Fachzeitschriften besprach, waren das Medium Fotografie und damit die zeitgenössischen ästhetischen Vorstellungen (wie etwa jene des Bauhauses) selbstverständlicher Teil seiner Arbeit. Und immerhin war es ebendieser Adolf Behne, der das Haus Mattern erstmals in einem Fachmedium vorstellte, womit auch Erich Behnes Fotografien erstmals publiziert wurden. Weiters scheint es recht plausibel, dass Adolf Behne seinem Bruder fotografische Realisierungen aus anderen Artikeln sowie Besprechungen zeigte und sie diese miteinander diskutierten.21 Und schließlich kann angenommen werden, dass Scharoun wie schon bei Haus Schminke im Sommer 193322 seine Vorstellungen – diesmal eben an Erich Behne – kommunizierte.

Worauf sich bei alldem der fotografische Blick immer wieder konzentriert, sind Personen. Sie wirken manches Mal zwar wie beiläufig ins Bild gebracht (Abb. 2); zumeist aber sind sie wesentlicher Bestandteil der Fotografie (Abb. 1). Diesen Personen scheint – und hier distanzieren sich die Abbildungen immens von der klassischen Architekturfotografie – ähnlich viel Aufmerksamkeit und Bild-Raum zuteil zu werden wie der Architektur. Der Blick fällt dabei fortwährend auf ihre Tätigkeiten.

Wer die abgelichteten Personen aber sind, ist den spärlichen Angaben der Bildunterschriften in den Magazinen aus jenen Jahren nicht zu entnehmen und bleibt damit den Leser_innen zunächst unbekannt.23

Abb. 2. Photographie: Vermutlich Erich Behne. Blick in den Wohnraum von Haus Mattern. Jeweils publiziert in den Monatsheften für Baukunst und Städtebau, April 1935 sowie in der Bauwelt, Dezember 1935. Haus Mattern [1932–34], Bornim bei Potsdam, Architektur: Hans Scharoun. Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv [WV 128 F. 2]. © Bildrecht, Wien, 2016. Im Garten vor dem Fenster, rechts außermittig, ist eine stehende Person vage zu erkennen. Es handelt sich hierbei um das Haus- und Kindermädchen (Identität noch ungeklärt) der Familie Mattern.

 

Was ist nun das Besondere dieser Fotografie?

Was bisher aufgezeigt wurde, diente der Kontextualisierung der Fotografien, des allmählichen Öffnens eines spezifischen kulturellen und sozialpolitischen Umfeldes, in dem sich eine intellektuelle, künstlerische Mittelschicht befand. In der Fotografie hinterließ es seine Spuren, respektive produzierte Codes. Auf diesen Einfluss verwies etwa auch der Medienphilosoph und Kommunikationswissenschafter Vilém Flusser, indem er Fotograf_innen als im „Dickicht der Kulturobjekte“24 beschrieb. Diese Bedingtheiten würden der Fotografie anhaften, denn sie wären es, die den Prozess des Fotografierens gestalten, sich in das Medium der Fotografie eindrücken. Sie wären der „fotografischen Geste anzusehen, und sie müssten […] aus der Fotografie herausgelesen werden können“.25 

Um ebensolche Codes im Folgenden aus den Fotografien in Scharouns Nachlass herauszuarbeiten, werden zuvor zweierlei grundlegende Überlegungen angestellt: Wenn auch die hier besprochene Art der Fotografie weder der klassischen Architekturfotografie noch dem Neuen Sehen eindeutig zuzuschreiben ist, so hat sie in derselben Weise wenig mit einer Dokumentations- oder Alltagsfotografie gemein. Dafür ist ihr zu sehr – wie bereits gezeigt wurde – ein Gestaltungswille zu eigen. Aber nicht nur das. Ihr ist anzumerken – so die These im Folgenden –, dass mit dem Gestaltungswillen auch eine Vermittlungsintention einhergeht. Denn der Architektur als Medium ist systemimmanent, dass sie in ihrer gebauten Form örtlich gebunden ist und damit eines anderen Mediums bedarf, um sie und ihre Entwurfskonzeption einem breiteren Publikum zugänglich machen zu können. Das Medium Fotografie besitzt nicht nur jene gesuchte Ortsunabhängigkeit, sondern sie ist auch aus einem anderen Grund für Architekt_innen durchaus naheliegend. Beide – Architektur wie Fotografie26 – sind visuelle Diskursmedien.

Zudem scheint es unabdingbar, die Fotografie aus der Prozesshaftigkeit heraus zu begreifen. Unter anderem aus diesem Grund plädierte der Fotografietheoretiker Philippe Dubois – mit einer ähnlichen Stoßrichtung wie Flusser – dafür, die Fotografie als fotografischen Akt zu begreifen. Denn das Foto kondensiert im Moment des Auslösens lediglich all die Entscheidungen und die Prozesse, die – etwa kulturbedingt – davor stattgefunden haben. Das Foto ist vor allem das Resultat.27 Durch den fotografischen Akt wird der Fotografie folglich auch eine Zeitspanne zuerkannt. Zudem bezeichnet der „Bild-Akt“ als „performativer Akt“ bei Dubois – so Herta Wolf im Vorwort zu Der fotografische Akt – „nicht nur die Geste des Auslösens und den mit dieser verbundenen Schnitt in Raum und Zeit, sondern ebenfalls den Akt der Rezeption.“28 

Dabei rührt Dubois’ Einführung des fotografischen Aktes insbesondere von der Konzeption her, dass im Prozess des Fotografierens (die Handlung) sowie im Resultat (die Fotografie als Medium) jeweils dieselbe Intention beinhaltet ist. Handlung und Medium bestärken darin einander. Womit – im Sinne der Sprechakttheorie von John Langshaw Austin29 oder John Searle – eben eine performative Äußerung vorliege. Dass performative Äußerungen über das Medium der Sprache hinaus – und damit auch im Medium „Bild“ – produziert werden können, wurde in der Medienphilosophie und in den Kulturwissenschaften durch Theoretiker_innen wie Sybille Krämer, Erika Fischer-Lichte oder Horst Bredekamp30 – um nur einige zu nennen – wiederkehrend und in diversen Facetten anschaulich gezeigt.31 Aktuell findet die Theorie der Performativität auch in der Architektur Anwendung. In Entwerfen Erforschen entwickelt die Architekturtheoretikerin Angelika Schnell die These, der moderne Architekturentwurf des 20. Jahrhunderts artikuliere sich als eine performative Äußerung, indem, „nicht mehr nur eine Idee vorgestellt (repräsentiert), sondern dargestellt (vergegenwärtigt) wird. Das heißt, die Inhalte, von denen in der Zeichnung gesprochen wird, werden vollzogen.“32 

Im Folgenden wird der Fokus nun auf den Ansatz gelegt, den die Medienphilosophin Sybille Krämer in ihrem Aufsatz „Gibt es eine Performanz des Bildlichen? Reflexionen über ,Blickakte‘“ entwickelt hat; im Speziellen auf jenen Moment, in dem es Krämer eindrücklich gelingt, das „Angeblicktwerden“33 und die darin enthaltene „permanente Struktur meines für Andere Seins“34 auch auf den Bilderdiskurs zu übertragen. Zugleich ist mit diesem Angeblicktwerden ein weiteres essentielles Argument für die eigene These vorliegend, denn in diesem Akt ist „die Elementarerfahrung unserer Sozialität angelegt.“35 Diese Elementarerfahrung unserer Sozialität intensiviert wiederum die Möglichkeit einer Vermittlung, einer leiblich-affektiven Übertragung – und das entspricht der Essenz einer Performance vor Publikum:36 Das Angeblickt-Werden und das Anblicken funktioniert dabei vice versa. Beide Seiten (die Performenden, hier die Abgebildeten, und das Publikum, hier die Rezipient_innen) sind sich des Angeblickt-Werdens und des Anblickens bewusst, respektive vermögen sie aus ihrem eigenen sozialen Einfühlungsvermögen, sich in den jeweils anderen Zustand zu versetzen. Es wird eine Anteilnahme für den Anderen respektive die Andere ermöglicht.

Und dennoch ist bei diesen Fotografien festzustellen, dass die meisten abgelichteten Personen uns, die Rezipient_innen, erst einmal nicht anblicken. Ihr Gesicht ist zumeist im Seiten- oder Halbprofil zu sehen. Ihr Blick ist auf die eigenen Tätigkeiten gerichtet. Sie lesen auf dem Sofa. Sie schreiben am Arbeitsplatz, genießen das Sonnenbad auf der Terrasse. Sie gehen ihren Gedanken nach. Die Tätigkeiten sind solche der Ruhe. Ihr Ausdruck vermittelt Präsenz, Fokussiert-Sein.

Abb. 3. Photographie: Vermutlich Erich Behne. Ein Sonntagnachmittag im Haus Moll. Erstmals publiziert in der neuen linie 1939. Haus Moll [1936/37], Berlin-Grunewald, Architektur: Hans Scharoun. Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv [WV 140 F. 30]. © Bildrecht, Wien, 2016. Hans Scharoun (rechts hinten) verbringt den Nachmittag in der Runde. Links daneben sitzt Marg Moll; vorne in der Fotografie die Tochter Melita.

 

Wen aber blicken wir hier an? Wer wird hier Teil der Fotografie?

Die Frage nach der Identität der Personen auf den Fotografien ließ sich letztlich durch Interviews mit den Nachfahr_innen klären: Fabian Zimmermann, Enkel von Hermann Mattern und Herta Hammerbacher, sowie Brigitte Würtz, Tochter von Oskar und Marg Moll gaben Auskunft. Die Abgelichteten sind die Auftraggeber_innen der Häuser selbst: Herta Hammerbacher widmet sich dem Lesen (Abb. 1). Marg und Melita Moll haben zu Kaffee und Kuchen geladen. Hans Scharoun ist ihr Gast (Abb. 3).

Der Blick durch die Kamera führt uns immer wieder die Bewohner_innen selbst vor Augen, die inmitten der für sie entworfenen Räume und inmitten ihres Wohnens gezeigt werden. Um ihr Wohnen also verstehen zu können, bedarf es weder adretter Models37 noch eines aufgeschlagenen Buchs, einer glimmenden Zigarette im Ascher oder eines glitschnassen Fisches auf der Küchenanrichte,38 die als inszenierte Spuren abwesender Bewohner_innen die Wohnlichkeit belegen sollen.

Die mit dieser Arbeit zu Tage geförderte Identität der Abgebildeten, um anschließend ihre Biografien miteinander verweben zu können sowie diese in ihr sozialpolitisches, kulturelles Umfeld einzubetten, bildet folglich die Voraussetzung für die anschließenden Betrachtungen. So waren die Identitäten und Biografien den Leser_innen bei der Erstveröffentlichung in den 1930er-Jahren unbekannt. Auf die heutigen Leser_innen können sie hingegen wirken und die Art der Blickbeziehung verändern: Denn die Identität zu wissen, bedeutet zu erkennen, dass die Bewohner_innen (also keine Models) einen Einblick in ihre privaten Räume zulassen. Es kann sich zwischen den heutigen Leser_innen und den Bewohner_innen eine Art Solidaritätspakt entwickeln. Umso sensibler wird dieses Verhältnis von Anblicken/Angeblickt-Werden schließlich angesichts des Wissens um die unzähligen Restriktionen und Zensuren, welche die Abgebildeten etwa für die Baugenehmigung erfahren mussten. Als Unerwünschte im System der Nationalsozialisten dienten ihnen diese Räume sprichwörtlich als Räume des Rückzuges.39 Inwiefern darin ein bewusstes politisches Statement zu finden ist, kann zum aktuellen Stand der Forschung nur spekuliert werden. Dennoch erhalten ihre Blicke, die der Kamera auszuweichen schienen oder ihr gar bewusst entsagten, und unsere Blicke, die ihre zu fassen versuchen, dadurch eine neue – brisante – Bedeutung. Besonders existenziell wird dieser Moment bei jener Fotografie, die um 1939 im Haus Moll entsteht (Abb. 3). Brigitte Würtz, die Tochter der Auftraggeber_innen, berichtete in einem Interview 2014 über die Entstehungshintergründe der Fotografie.40 Es war einer der regelmäßigen Sonntagnachmittage, an denen Gäste geladen waren. Und es war ein bewusst gewählter Wochentag, denn das Hausmädchen hatte Ausgang; erst dadurch fühlte sich die Familie Moll mit ihrem Besuch – im Kreis der Gleichgesinnten – unbeobachtet, um frei sprechen zu können. Die persönliche Situation der Familie hatte sich insbesondere zugespitzt, seit auch Marg Moll mit ihrer Skulptur Die Tänzerin in München 1937 auf der Ausstellung Entartete Kunst diffamiert worden war. Die Veröffentlichung gerade dieser Fotografie 1939 in der deutschen, teils zensurierten Zeitschrift, die neue linie,41 nimmt damit aus heutiger Sicht unheimliche Züge an.

 

Warum aber haben die Auftraggeber_innen selbst für das Foto Platz vor der Kamera genommen? Welche Intention steckte hinter ihren (Nicht-)Tätigkeiten?

Damit wären wir auf der Handlungsebene des fotografischen Aktes angelangt. Um nochmals die Autor_innenschaft der Fotografien in Erinnerung zu rufen: Erich Behne war kein klassischer Architekturfotograf. Das Praktizieren des Fotografierens war ihm zunächst vermutlich aus seiner Freizeit bekannt, womit Menschen als Objekte des Interesses vor der Kameralinse durchaus naheliegend erscheinen mögen. Dennoch sind sie nicht alleinig im Vordergrund, sondern – wie gezeigt wurde – es gibt zwischen ihnen und der Architektur ein besonderes und spannungsvolles Verhältnis: Im Anblicken entsteht mehr und mehr Interesse für sie und für ihr Schreiben, dem Lesen, der Arbeit, ihrer geistigen Kontemplation. Ihre Haltung des Fokussiert-Seins, der Ruhe, beginnt, den eigenen Blick zu bannen, ja eine gewisse Sogwirkung zu erzeugen. Es ist eine Wirkung, die nicht ohne Grund ist. Denn es war die Kamera selbst – und damit Erich Behne respektive Scharoun42 –, der sich für diese eine Person und ihre Tätigkeiten interessierte; ihnen wurde vollste Aufmerksamkeit zuteil. Als gäbe es nur Stille, diese eine Person, diesen einen Raum für sie: Zwar hat Herta Hammerbacher nicht in der Bildmitte Platz genommen (Abb. 1), indem aber die Kamera leicht nach links gedreht und auf sie gerichtet war sowie sie gebannt anblickte, folgte Erich Behne – im Akt des Fotografierens – Scharouns spezifischer Herangehensweise an den Entwurf. Denn Scharouns Entwerfen war ein Entwerfen von Raum für eben diese eine Person; in diesem Falle Herta Hammerbacher.43 

Das Fenster, welches Behne gewählt hat, war dabei jenes Fenster, durch das wir bereits vom Innenraum in den Garten hinaus blicken konnten (Abb. 2). Uns ist die in Glas aufgelöste Wand bekannt und durch ebendiese richten wir nun entgegengesetzt den Blick in das Innere. Damit lässt sich ein Narrativ über die beiden Fotografien hinweg ausmachen. Ausblicke werden zu Einblicken und damit miteinander verknüpft. Für diesen Einblick musste Erich Behne seine Kamera ganz nahe an die Glasfassade herangerückt haben; so dass Kamera-Linse und Glasfläche auf einer Ebene positioniert erschienen. Der Teil, der als Flügelfenster ausgeführt wurde, war weit geöffnet worden, sodass die gläserne Wand für den Moment der Fotografie nicht existent, ja aufgelöst zu sein schien. Lediglich der Schatten auf dem Boden deutete sie noch an.

So war dies ein fotografischer Blick, der der Entwurfsintention – zuvor: die Aufmerksamkeit für diese eine Person, nun: das Auflösen der Wand, das Ineinander-Übergehen-Lassen von Innen- und Außenraum – reflektierend und konstruierend begegnete, um sie – dem eigenen Medium entsprechend – übernehmen zu können. Es war ein fotografischer Blick, der erst durch seine spezifische Herangehensweise einen Weg fand, um die Entwurfsidee für die anschließende Vermittlung übersetzen zu können. Kurzum: Die Idee wird nicht repräsentiert, sondern dargestellt. Sie wird vollzogen. Die „fotografische Geste“ selbst hat performativen Charakter.

Selbige Motivation lässt sich wiederum anhand der Blick-Art festmachen. Denn dieses Anblicken hat etwas Voyeuristisches, von außen Beobachtendes. Der Blick durch das Fenster hindurch wirkt wie das Überschreiten einer Grenze oder das unangemessene Betreten der Privatsphäre dieser Bewohner_innen; wenn da nicht zugleich auch etwas von einer unausgesprochenen und intendierten Erlaubnis wäre,44 ihnen nahe kommen zu dürfen, sich mit ihnen zu solidarisieren, sich auf sie einzulassen – ein immersives Moment. Und so findet ein Anblicken und Angeblickt-Werden statt, das zwischen Beobachten von außen und Einladung, zwischen Distanz und Nähe oszilliert. Auch das ist ein bekanntes Grundmotiv der Architektur Scharouns.45 Sein Raumbegriff war kein statischer, sondern Scharoun legte „Orte“ fest, von denen aus relative, sich in der Tiefenwirkung verändernde Blickbeziehungen zu jeweils anderen Orten aufgebaut und wieder aufgelöst wurden.46 

Schließlich schien es Scharoun auch daran gelegen zu haben, seine Entwurfsvorstellungen selbst und vor Ort zu überprüfen. So wurde Scharoun immer wieder Teil der Fotografie-Settings. Seine physische Anwesenheit auf den Fotografien, die im Anschluss für die öffentlichkeitswirksame Vermittlungsarbeit verwendet wurden, erzeugt(e) damals wie heute eine selbstbestätigende, konstituierende Wirkung: Ja, derart war mein Entwurf konzipiert. Auch an dieser Stelle wirkt der fotografische Akt im Sinne perperformativer Äußerungen, die selbstreferentiell sind, d.h. sie „beziehen sich auf sich selbst, insofern sie das bedeuten, was sie tun, und sie sind wirklichkeitskonstituierend, indem sie die soziale Wirklichkeit herstellen, von der sie sprechen.“47 

Indem also den hier vorgestellten Fotografien anhand einer performativitätstheoretischen Perspektive eine Zeitspanne eingeräumt wurde, konnte der Blick zum einen auf die kulturellen, soziopolitischen, individuellen Bedingtheiten, die sich ihnen eingeschrieben haben, freigemacht werden. Zum anderen wurde herausgearbeitet, inwiefern Scharoun als Architekt und Erich Behne als Fotografierender in jener Phase mit einer neuen Form der Fotografie und deren anschließender Kommunikation begannen zu experimentieren. Ihr Interesse widmete sich – über die Entwurfskonzeption und der gebauten Architektur hinaus – insbesondere dessen bewohntem Zustand sowie den Bewohner_innen. Dem folgend begnügten sich die Protagonist_innen nicht mit der Repräsentation; vielmehr war der Akt des Fotografierens eine (welt)konstituierende Äußerung, die eine entworfene soziale Wirklichkeit zu vermitteln suchte. Das Anblicken und Angeblickt-Werden schafft schließlich – und im besten Fall der Wirkung – das immersive Moment, um in ihrer leiblichen Affektion eine Anteilnahme am Abgelichteten zu evozieren; und das über Jahrzehnte hinweg.

Endnote

Show 47 Footnotes

  1. Behne, Adolf: „Haus Mattern in Bornim bei Potsdam“, in: deutsche bauzeitung (1935), Jg. 69, März, S. 53–58.
  2. Die Jahreszahlen beziehen sich jeweils auf die Fertigstellung der Häuser.
  3. Der Architekt Hans Luckhardt berichtet in seinem Entnazifizierungsverfahren über die Hausdurchsuchung, die Scharoun über sich ergehen lassen musste. Vgl. Kirschenmann, Jörg C./Syring, Eberhard: Hans Scharoun – 1893–1972 – Die Forderung des Unvollendeten, Stuttgart 1993, S. 152f.
  4. Lauterbach, Heinrich, in: Akademie der Künste Berlin (Hg.): Hans Scharoun, Berlin 1967, S. 13; Kirschenmann/Syring 1993, S. 132.
  5. Der Begriff „innere Emigration“ wird in der Architektur häufig im Zusammenhang mit Hans Scharoun verwendet. Scharoun ist einer der wenigen modernen deutschen Architekten, der sich trotz des Nazi-Regimes entscheidet, in Deutschland auszuharren. Vgl. hierzu Paul Virilios Aufsatz von 1967, der – anhand Scharouns Zeichnungen von 1939–1945 – die psychisch isolierte Situation eines in der inneren Emigration lebenden Architekten erörtert. Vgl. Virilio, Paul: „1939–1945 – Les années secrètes“, in: aujourd’hui allemagne 57–58 (1967), S. 28, zitiert nach: Threuter, Christina: Hans Scharouns Architekturzeichnungen aus der Zeit von 1939 bis 1945, Frankfurt am Main 1994, S. 20f.
  6. Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv, Konvolut 1: Person und Familie; Mappe 1.12: Hans Scharoun: Lebensdaten/Biografie; Dok-Nr.3, Ord-Nr.47-0527: „Bericht einer Unterhaltung geführt zwischen Herrn Prof. Scharoun und Prof. Lehmann-Haupt am 27. Mai 1947“, Berlin, S. 3.
  7. Ebd., S. 2.
  8. Erste Hinweise zu den Beziehungen der Auftraggeber_innen mit Scharoun, aber insbesondere untereinander, hat etwa James Adam Anderson in seiner Master-Thesis von 1985 aufgezeigt. Vgl. Anderson, James Adam: The Architecture of Hans Scharoun: Works 1933–1945, unpublizierte Master-Thesis am MIT, S. 217, 233. 1996 legt Klaus Kürvers mit seiner Dissertation zu Haus Schminke hierzu weitere Forschungsergebnisse dar. Vgl. Kürvers, Klaus: Entschlüsselung eines Bildes – Das Landhaus Schminke von Hans Scharoun, Berlin 1996
  9. Hermann Mattern war in erster Ehe mit Herta Hammerbacher verheiratet. Sie beide beauftragten Hans Scharoun mit der Planung von Haus Mattern (1932–1934), in dem die gemeinsame Tochter Merete Mattern (später Zimmermann-Mattern) die ersten Jahre aufwuchs. Den Aussagen von Meretes Sohn, Fabian Zimmermann, nach, dürfte vor allem seine Großmutter, Herta Hammerbacher, die Gespräche mit Hans Scharoun geführt und damit die Gestaltung des Hauses Mattern mitbestimmt haben. Das Interview führte die Autorin mit Fabian Zimmermann im Haus Mattern in Bornim bei Potsdam am 10. August 2013.
  10. Die Stempel auf der Rückseite der Fotografien insbesondere von Haus Mattern und Haus Bader weisen eindeutig darauf hin. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist zudem im Format zu finden (eher quadratisch). Jene Fotografien, die hier besprochen werden und als besonders herausstechen, sind allerdings vornehmlich bei Erich Behne zu finden. Vgl. zudem FN 17.
  11. Hans Scharoun plante beginnend mit 1930 das Haus Schminke für den Makkaroni-Fabrikanten Fritz Schminke, seine Frau Charlotte und vier gemeinsame Kinder in Löbau (Sachsen). Es wurde im Frühsommer 1933 bezogen und ist das letzte Haus, das Scharoun noch ohne Restriktionen umsetzen konnte. Marg Moll erstellte hierfür Entwürfe und Skulpturen. Vgl. Kürvers 1996, S. 4. 12, insb. 4. 16, 6. 18, 8. 16.
  12. Herzogenrath, Wulf: Oskar Schlemmer – Die Wandgestaltung der neuen Architektur mit einem Katalog seiner Wandgestaltungen 1911–1942, München 1973, S. 110.
  13. Diese orthogonal entzerrte Fotografie wird mit Tilt-Shift-Objektiven erzeugt. Der Prozess ist dem Kanon, der seit der Renaissance in der Architektur-Plandarstellung vorherrscht – Grundriss, Schnitt, Ansicht (Parallelprojektion) sowie Übereckperspektive (Zentralprojektion) – nachempfunden. Zudem wird die klassische Architekturfotografie von als Störung empfundenen Objekten befreit und ist in Folge fast ausschließlich menschenentleert. Diese Form der Architekturfotografie hat sich im Grunde bis in die heutige Zeit als Standard im Architekturbetrieb gehalten.
  14. Vgl. Fiedler, Jeannine/Bauhaus-Archiv (Hg.): Fotografie am Bauhaus, Berlin 1990; Wick, Rainer K. (Hg.): Das Neue Sehen. Von der Fotografie am Bauhaus zur Subjektiven Fotografie, München 1991.
  15. In einem anderen Fotografie-Setting wird diese bauchige Vase etwa auf die Brüstung (Abb. 3, Bildmitte, vorne) positioniert und gestaltendes Detail.
  16. Vgl. Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Hans-Scharoun-Archiv, WV 140.
  17. Im Rahmen der Recherchen der Autorin kann Erich Behne mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Fotograf der hier gezeigten Fotografien ausgemacht werden; wenngleich sein Name lediglich mit Bleistift auf der Rückseite notiert ist. Es gibt im Archiv der Akademie der Künste Berlin nur wenige Fotografien, die mit einem Stempel Erich Behne versehen wurden. Hinsichtlich des Formates und des Fotopapiers sind sie allerdings identisch, womit sie eindeutig von den Fotografien Beate Matterns zu differenzieren sind. Vgl. FN 10.
  18. Vgl. dazu der von Erich Behne nach 1946 verfasste „Technische Lebenslauf“ im Landesarchiv Berlin, Nachlass Behne-Wirsig, E Rep. 200-93, Nr. 2/12.
  19. Vgl. Landesarchiv Berlin, E Rep. 200-93, Nr. 2/36 bzw. Erich Behnes Versuch nach 1945, 65-jährig, einer Neuorientierung als Fotograf: Laut einem Schreiben vom 24.10.1945 geht hervor, dass Erich Behne „für das Botanische Museum (Berlin-Dahlem) zwecks Wiederaufbau der zerstörten Lehrmittelsammlung mit der Anfertigung von wissenschaftlich und künstlerisch einwandfreien Pflanzen- und Blumenaufnahmen beschäftigt (ist). Die Tätigkeit des Herrn Dr. Behne ist wegen der Hochwertigkeit seiner Bilder als „Kulturschaffend“ anerkannt. Die arbeitsmässige Inanspruchnahme entspricht einer wöchentlichen Beschäftigungsdauer von 48 Stunden. Verw.-Obersekretär.“ Vgl. Landesarchiv Berlin, E Rep. 200-93, Nr. 2/37.
  20. Wie Erich Behne zu diesen Aufträgen gekommen ist, darüber lässt sich in den Nachlässen (Scharoun, Behne) nach aktuellem Stand der Recherche kein Hinweis finden. Darum kann vorerst nur angenommen werden, dass auch Erich Behne als Teil dieses Netzwerkes den Auftrag vermittelt bekam.
  21. Ein weiteres Indiz für ihre Zusammenarbeit lässt sich auf der Rückseite von Erich Behnes Fotografien finden, denn sie werden immer wieder mit dem handschriftlichen Verweis „Fotografie Dr. Erich Behne“ sowie „please return to“ und darunter dem Stempel „Dr. Adolf Behne Charlottenburg 4“ versehen. Vgl. etwa die Fotografien im Archiv der Akademie der Künste Berlin: Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Peter-Fritz Hoffmeyer-Zlotnik-Archiv, WV 128 F. 1a, WV 128 F. 2, WV 128 F. 4, WV 128 F. 7a, WV 128 F. 11, WV 128 F. 12 und WV 128 F. 13.
  22. Charlotte Schminke dokumentiert im Sommer 1933 in privaten Fotografien jenen Tag, an dem die Fotografin Alice Kerling die berühmt gewordenen Architekturfotografien von Haus Schminke erstellt. Scharoun steht neben ihr gestikulierend, um die Einstellungen zu besprechen. Es darf also davon ausgegangen werden, dass Scharoun auch bei Behne seine Vorstellungen mit ihm durchgegangen ist und damit direkten Eingriff auf den fotografischen Blick hatte.
  23. Eine Ausnahme stellt selbstverständlich die immer wieder abgebildete Person Hans Scharoun dar, sofern die Person den Leser_innen bekannt ist und damit wiedererkannt wird.
  24. Flusser, Vilém/Müller-Pohle, Andreas (Hg.): Für eine Philosophie der Fotografie (1983), Berlin 2011, S. 31.
  25.  Ebd.
  26. Dies gilt in gleicher Weise für viele andere visuelle Medien in der Architekturpraxis; sei es etwa die Collage, das Rendering oder das Video.
  27. Vgl. Wolf, Herta: „Vorwort“, in: Dubois, Philippe: Der fotografische Akt – Versuch über ein theoretisches Dispositiv (1983), Amsterdam/Dresden 1998, S. 9.
  28. Vgl. Ebd., S. 12.
  29. Vgl. Austin, John Langshaw: How to Do Things with Words (1955), Oxford 1963.
  30. Vgl. Austin (1955) 1963; Fischer-Lichte, Erika: „Bildakte – Blickakte: Zur Performativität von Bildern“, in: Dies.: Performativität – Eine Einführung, Bielefeld 2012, S. 135–146; Bredekamp, Horst: Der Bildakt – Frankfurter Adorno-Vorlesungen (2007), Berlin 2015, insb. Kapitel „Sprechakt und Bildakt“, S. 56–64.
  31. Frühe Ansätze – die Sprechakttheorie für das Medium Bild produktiv zu machen – lassen sich etwa bei Søren Kjørups „Pictorial Speech Acts“ finden. Vgl. Kjørup, Søren: „Pictorial Speech Acts“, in: Erkenntnis 12 (1978), Nr. 1, S. 55–71
  32. Schnell, Angelika: „Einleitung“, in: Schnell, Angelika/Sommeregger, Eva/Indrist, Waltraud (Hg.): Entwerfen Erforschen – Der „performative turn“ im Architekturstudium, Basel 2016, S. 13.
  33. Krämer bezieht sich dabei auf Jean Paul Sartres „Blick“-Konzept. Vgl. Sartre, Jean Paul: Das Sein und das Nichts – Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Hamburg 1962, S. 338–397.
  34. Ebd. S. 377ff.
  35. Krämer, Sybille: „Gibt es eine Performanz des Bildlichen? Reflexionen über ,Blickakte‘“, in: Schwarte, Ludger (Hg.): Bild-Performanz, München 2011, S. 63–90, hier S. 69.
  36. Vgl. das immersive Moment oder der „Als-Ob-Pakt“ in Fischer-Lichte 2012, S. 55, 125.
  37. Vgl. auch hier exemplarisch die Fotografien von Julius Shulmans „Case Study House N°21“, Los Angeles 1958.
  38. Vgl. Fotografie in Colomina, Beatriz: „Split Wall – Domestic Voyeurism“, in: Dies. (Hg.): Sexuality & Space, New York 1992, S. 101.
  39. Gerade die Architektursprache Scharouns dieser Phase wird gemeinhin als Architektur des Rückzuges interpretiert. Die Häuser kommunizieren ein hermetisch geschlossenes Bild zur Straße hin und damit zum öffentlichen Raum. Wird diese Schwelle übertreten, so öffnet sich das Haus und seine Räume mit zahlreichen Außenwänden aus Glas dem Garten hin. Besonders eindrucksvoll nachzuvollziehen ist diese sich öffnende Geste im Haus Baensch.
  40. Das Interview hat die Autorin am 22.08.2014 mit Brigitte Würtz in München geführt.
  41. die neue linie (1939), Jg. 10, Nr. 7. Zur ambivalenten Rolle der neuen linie im Spannungsfeld zwischen „gestalterischer Moderne und systemkonformer Anpassung“ an das Nazi-Regime. Vgl. auch Rössler, Patrick/Bauhaus-Archiv (Hg.): die neue linie – 1929–1943 – das bauhaus am kiosk, Bielefeld 2007, insb. Kapitel „Presselenkung und Moderne im ,Dritten Reich‘“.
  42. Warum dies auch auf Scharoun zutrifft, vgl. FN 22.
  43. Vgl. die Hypothese zur Herangehensweise Scharouns an den Entwurf (sein individuelles Eingehen auf die zukünftigen Bewohner_innen), die die Autorin in ihrem Beitrag „In-der-Welt-Sein“ herausarbeitet: Indrist, Waltraud: „In-der-Welt-Sein“ in: Schnell/Sommeregger/Indrist 2016, S. 173f.
  44. Zum einen wird über eine Serie hinweg fotografiert; zum anderen dürften sich alle Beteiligten der Publikation der einen oder anderen Fotografie bewusst gewesen sein.
  45. Zum „Verhältnis der ‚Orte‘ zueinander“, „ihr Bezug zur Umwelt“ sowie zum Motiv der relationalen Abständigkeit von Orten vgl. insb. Scharoun, Hans: Vorlesungsmanuskript vom 23. 6. 1952, unpubliziert: Akademie der Künste, Hans Scharoun-Archiv, Berlin, S. 13.
  46. Vgl. „phänomenologischen Protokolle“ im Rahmen von „Re-enactments“ der Autorin: Indrist in: Schnell/Sommeregger/Indrist 2016, S. 165ff.
  47. Fischer-Lichte 2012, S. 38

Waltraud P. Indrist

Waltraud P. Indrist studierte Architektur in Innsbruck und Montpellier. Sie ist Lehrende an der Kunstuniversität Linz sowie an der Akademie der bildenden Künste Wien. An der Akademie promoviert sie zum fotografischen Akt im Werk des Architekten Hans Scharoun (1933–1945). 2015 erhielt sie das Marietta Blau-Stipendium der OeAD, finanziert aus Mitteln des österr. Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW); im Zuge dessen Forschung u.a. an der Akademie der Künste Berlin. Im Frühjahr 2016 kuratierte sie mit Anamarija Batista und Eva Sommeregger die Lecture Series Discursive Pracitces – Discursive Spaces am Institut für Kunst und Architektur (Akademie der bildenden Künste Wien). Sie publiziert in Fachzeitschriften wie ARCH+, stadt-aspekte oder Modulør. Im Herbst 2016 erschien der Band Entwerfen Erforschen – Der »performative turn« im Architekturstudium, den sie mit Angelika Schnell und Eva Sommeregger im Birkhäuser-Verlag herausgegeben hat. Die Publikation geht aus dem design-based-research Projekt »Design Paradigm« – Performing the Architectural Design Process hervor, das sie gemeinsam mit den beiden Herausgeberinnen 2013 initiiert hat. Kontakt: indrist@das-diwan.cc